Etwa 8.000 Verletzte gibt es jährlich bei Unfällen mit einspurigen Kraftfahrzeugen wie Mopeds und Motorrädern in Österreich. Unter den Verletzten befindet sich eine nicht zu geringe Anzahl an Menschen, die ohne ordnungsgemäße Bekleidung unterwegs sind. Trägt der Fahrer bei einem Motorradunfall ohne Schutzkleidung eine Mitschuld?

Der Oberste Gerichtshof erweitert die in 2 Ob 119/15m für eine kurze Überlandfahrt getroffenen Erwägungen und bejahte die Obliegenheit eines Motorradfahrers, eine angemessene Schutzbekleidung zu tragen, auf Fahrten im Ortsgebiet.

Der Kläger kam als Lenker seines Motorrads im Ortsgebiet bei einer Fahrgeschwindigkeit von 55 km/h zu Sturz. Der Motorradlenker trug während der Fahrt nur eine Jeanshose und Turnschuhe, weil er nur zur nächsten Tankstelle fahren wollte. Das Alleinverschulden an dem Unfall traf einen aus der Gegenrichtung kommenden, abbiegenden Pkw-Lenker. Der Motorradlenker erlitt schwere Verletzungen, darunter einen weit offenen Unterschenkeltrümmerbruch. Der Sachverständige stellte fest, dass, hätte er seine Schutzbekleidung getragen, kein offener, sondern „nur“ ein geschlossener Bruch eingetreten wäre, sodass die Verletzungsfolgen deutlich geringer gewesen wären.

Das Erstgericht bejahte ein Mitverschulden des Motorradfahrers an den infolge Nichttragens einer Schutzbekleidung entstandenen Verletzungen, das Berufungsgericht verneinte es.

Der Oberste Gerichtshof folgte der Rechtsansicht des Erstgerichts. Ausgangspunkt seiner Überlegungen war die Entscheidung 2 Ob 119/15m, in der nach einem Sturz bei einer kurzen Überlandfahrt ein Mitverschulden des nur mit T-Shirt und kurzer Hose bekleideten, schwer verletzten Motorradfahrers am Eintritt der erlittenen Verletzungen bejaht worden war. Damit wurde keine – gesetzlich nicht verankerte – Verpflichtung zum Tragen von Motorradschutzkleidung statuiert, sondern lediglich die Verteilung des zusätzlichen Risikos zwischen Schädiger und Geschädigtem klargestellt.

OGH 2 Ob 44/17 k, 27.2.2018